The hour I first believed (4) - Perseverance




Dieses Bild zeichnete ich Anfang des Jahres 2012 und trägt den Titel "Missverstandenes Leben". Aus dem zerbrochenen Schädel eines Totenkopfes steigt Dunst auf, der die Rückseite einer Frau bildet. Der Dunst deutet an, dass es sich um die Träume des Mannes handelt, die aus seinem Schädel aufsteigen. Der Mann glaubt, durch die Liebesbeziehung zu einer Frau lebendig werden zu können, merkt aber nicht, dass er schon längst einem Totenkopf gleicht, dessen Schädel zertrümmert ist. Er glaubt, dass sie ihm Leben geben kann. Die Frau aber hat gar nicht die Macht, ihn von den Toten zurückzuholen; der Tod des Mannes hat schon seine Substanz erreicht und übrig bleibt nur sein knochiges Gerüst. Der Mann hat kein Gesicht mehr. Wer aber gibt ihm ein neues Gesicht?


Perseverance

"Therefore, since we are surrounded by such a great cloud of witnesses, let us throw off everything that hinders and the sin that so easily entangles. And let us run with perseverance the race marked out for us,
 fixing our eyes on Jesus, the pioneer and perfecter of faith."

Na, toll. Jetzt hatte ich mich auch noch verliebt. Ich erinnere mich noch sehr präzise daran, was in einem vorgeht, der in der Erwartung lebt, dass eine Frau ihn anspricht und auf wundersame Weise zu erleben, wie man aus seiner Sehnsucht geholt wird und wie die Phantasie einem Streiche spielt und man sich vorstellt, wie es wohl wäre, "gerettet" zu werden und welche romantischen Szenarien man sich ausdenkt, die unmöglichsten Seifenopern-Szenarien und wie banal das alles ist. Damals schrieb ich darüber einen Aphorismus: Es ist doch schön zu wissen, dass einem auf dem Weg, den man geht, niemand entgegen kommt, anstatt im Dunst seiner vergeblichen Hoffnung ständig auf die Erfüllung seiner Sehnsucht zu schielen (und eventuell mit dem Kopf gegen eine Straßenlaterne zu laufen). Später sollte ich diesen Satz noch sehr lustig finden. Aber jetzt mal im Ernst: Wozu ist es gut, sich zu verlieben, wenn man bedenkt, dass ein Mann, dessen Selbstbild nach all dem Hass und der Kränkung noch gebrochen war, unmöglich eine gute Beziehung führen kann? Wenn man bedenkt, dass mich, nachdem sich jemand im Zorn über mich ärgert, für ein bis zwei Tage furchtbare Selbstzweifel quälen? Wenn man bedenkt, dass mich die Befürchtung verfolgte, etwas zu verpassen, wenn ich mich dazu entscheiden sollte, alleine zu bleiben? Usw. Usf.

Wenn ich jetzt darüber nachdenke, finde ich das alles irgendwie amüsant, aber zum damaligen Zeitpunkt war ich nicht gerade belustigt, als ich vor knapp zwei Monaten in der Badewanne saß, das Wasser der laufenden Dusche prasselte auf meinen Kopf und ich betete:
Alle starken Gefühle schmerzen auf Dauer und brennen bald wie eine offene Wunde. Also sag mir, wie ich damit umgehen kann. Das Gebet eines Gerechten vermag viel. Durch Glaube sind wir für gerecht erklärt worden. Ich glaube. Ich mache Gebrauch von meiner Stellung als vor Dir Gerechter und bete: Antworte mir noch heute. Noch morgen. Und wenn nicht morgen: ich vertraue Dir den Zeitpunkt an, denn Du antwortest, wenn es Dir gefällt.

Als ich dann ins Wohnzimmer kam, schien die Sonne ganz schwach durchs Fenster. Sie schien an diesem Tag nur dieses eine Mal, um ein mattes Orange auf den Teppich zu werfen und danach gleich wieder zu verschwinden. In diesem Moment schoss mir ein Gedanke durch den Kopf und ich wusste: Gott ist mit mir und darüber hinaus will Er mich segnen. Er will mich verwenden. 

Zwölf Tage darauf bekam ich meine Antwort, als ich die Frau, in die ich verliebt war, nach langer Zeit wieder getroffen hatte. Ehrlich gesagt: die Begegnung war unerträglich. Anstatt danach nach Hause zu fahren, raste ich um ca. 22.00 Uhr in der Nacht mit dem Rad Richtung Kellergasse bis zur Grenze von Wien. Ich hatte nicht wirklich den Willen, das Rad in die eine oder die andere Richtung zu lenken. Einfach nur g'radeaus fahren. Ich hatte noch nie so tiefe Zerrissenheit erlebt. Ich weiß, was es bedeutet, wenn dein Wille gebrochen wird. Ich war innerlich zerfetzt. Aber diese Zerrissenheit erinnerte mich an den Weg ans Kreuz, den Christus gegangen war. Er schwitzte Blut am Berg Gethsemane, aus Todesangst. Er war innerlich zerrissen und betete:
Und er zog sich ungefähr einen Steinwurf weit von ihnen zurück und kniete nieder, betete und sprach: Vater, wenn du willst, nimm diesen Kelch von mir weg - doch nicht mein Wille, sondern der deine geschehe! Es erschien ihm aber ein Engel vom Himmel, der ihn stärkte. Und als er in Angst war, betete er heftiger. Es wurde aber sein Schweiß wie große Blutstropfen, die auf die Erde herabfielen. - Lukas 22, 41-44
Wie konnte er das alles aushalten: die Todesangst, die innerliche Zerrissenheit? Er fleht doch: "Wenn du willst, nimm diesen Kelch von mir weg!" Schreit er nicht zu Gott? Hebräer 5, 7 verdeutlicht, was in Jesus vorgegangen sein muss, zu diesem Zeitpunkt:
Als Christus hier auf der Erde war – ein Mensch von Fleisch und Blut –, hat er mit lautem Schreien und unter Tränen gebetet und zu dem gefleht, der ihn aus der Gewalt des Todes befreien konnte, und weil er sich seinem Willen in Ehrfurcht unterstellte, wurde sein Gebet erhört.
Aber wie konnte er sich in diesem extremen Moment dem Willen Gottes unterordnen? Warum hatte er sich dazu entschlossen, das alles zu erdulden und auszuhalten? Und wie konnte ich mich dazu entschließen, mich in diesem Moment Gottes Willen unterzuordnen?

Deshalb lasst nun auch uns, da wir eine so große Wolke von Zeugen um uns haben, jede Bürde und die uns so leicht umstrickende Sünde ablegen und mit Ausdauer laufen den vor uns liegenden Wettlauf, indem wir hinschauen auf Jesus, den Anfänger und Vollender des Glaubens, der um der vor ihm liegenden Freude willen die Schande nicht achtete und das Kreuz erduldete und sich gesetzt hat zur Rechten des Thrones Gottes. - Hebräer 12, 1.2
Lasst es mich noch einmal schreiben: "...der um der vor ihm liegenden Freude willen die Schande nicht achtete und das Kreuz erduldete..." Im Hinblick auf diese überwältigende Freude konnte er am Kreuz sterben. Und diese Freude besteht bis heute und in Ewigkeit darin, dass
  1. Er sich zu Rechten des Thrones Gottes gesetzt hat.
  2. Er die, die an ihn glauben, für immer vollkommen gemacht hat. Genauer gesagt: "Denn mit einem Opfer hat er die, die geheiligt werden, für immer vollkommen gemacht" - Hebräer 10, 14. Was die Strafe für Sünde angeht, sind diejenigen, die den Heiligen Geist haben und durch ihn geheiligt werden, vor Gott vollkommen.
  3. Er dadurch in Ewigkeit Gemeinschaft haben wird, mit denjenigen, die ihn lieben!
Um es noch einmal festzuhalten: diese Freude muss überwältigend sein, wenn man daran denkt, was Christus überwältigt hat, was Er überstanden und durchgemacht hat. Sie muss größer sein, als all das, was Er erlitten hat, größer als die tiefste Zerrissenheit. Und obwohl diese Freude zum Zeitpunkt seiner Kreuzigung noch nicht sichtbar war, so denke ich, war sie dennoch Grund genug, um am Kreuz auszuharren:
Denn ich denke, dass die Leiden der jetzigen Zeit nicht ins Gewicht fallen gegenüber der zukünftigen Herrlichkeit, die an uns offenbart werden soll. 
Denn auf Hoffnung hin sind wir gerettet worden. Eine Hoffnung aber, die gesehen wird, ist keine Hoffnung. Denn wer hofft, was er sieht? Wenn wir aber das hoffen, was wir nicht sehen, so warten wir mit Ausharren. 
Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Guten mitwirken, denen, die nach seinem Vorsatz berufen sind.                      - Römer 8, 18.24.25.28
Und so gibt uns sein Tod einen Anlass, Ihm nachzufolgen, weil auch vor uns überwältigende Freude liegtUnd diese Freude macht sich jetzt schon bemerkbar, denn an die Stelle meines unruhigen Herzens tritt immer mehr die Zufriedenheit und ein festes Ausharren und Vertrauen. Als ich meinen Blick von dem abwandte, was ich nicht hatte, und dem zuwandte, was Gott demjenigen verspricht, der Ihm alles anvertraut, wurde mein Herz von Frieden überrascht. 
Selig ist der Mann, der die Anfechtung erduldet; denn nachdem er bewährt ist, wird er die Krone des Lebens empfangen, die Gott verheißen hat denen, die ihn lieb haben. - Jakobus 1, 12

Christus nachzufolgen kostet eine Menge. Es kostet meistens unsere Träume. Und obwohl doch die meisten unserer Träume mit dem flüsternden Geräusch tausend kleiner Schaumblasen zerplatzen, tut es weh, Träume hinter sich zu lassen. Im Rückblick aber muss ich sagen: es war eine gute Zerstörung - die Zerstörung meiner Träume - eine, die ich fröhlich willkommen hieß, weil sie mir die Wahrheit über mein Herz gezeigt hat! Gott wollte mir vor Augen führen, was ich für ein Mann bin: ein Mann mit gebrochenem Herzen. Als ich aber verstand, wie viel mehr ich dadurch gewonnen hatte, ein Leben in Hingabe an Christus zu leben, da erschien mir die Möglichkeit, für Christus alles aufzugeben, als ein Gnadengeschenk und kostbarer als je zuvor. Denn Hingabe an Christus bewirkt eine Erneuerung des Herzens:
Daher, wenn jemand in Christus ist, so ist er eine neue Schöpfung; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden. - 2. Korinther 5, 17
Um eine neue Identität annehmen zu können, müssen falsche Vorstellungen zerstört werden. Doch mit dieser neuen Identität kommt die Gewissheit, dass ich zu guten Werken geschaffen bin, die Gott schon vorbereitet hat und dass es Gottes Wille ist, der sich erfüllt, dass der Weg, den Gott für jeden von uns vorgesehen hat, ein vortrefflicher Weg ist, auf dem man zuversichtlich und sicher reisen kann.
Denn wir sind sein Gebilde, in Christus Jesus geschaffen zu guten Werken, die Gott vorher bereitet hat, damit wir in ihnen wandeln sollen. - Epheser 2, 10
Jetzt sehe ich sozusagen einen neuen Morgen vor mir, an dem ich sagen werde: "Gott ist mein Heiler! Er hat mich gesund und fröhlich gemacht. Sein Name ist mächtig und Ihm gebührt alle Anbetung, alle Ehrfurcht, alle Hingabe, alle Leidenschaft, alles Lob, alle Herrlichkeit, aller Reichtum!"
Er heilt, die zerbrochenen Herzens sind, er verbindet ihre Wunden. - Psalm 147, 3
Denn so spricht der Hohe und Erhabene, der in Ewigkeit wohnt und dessen Name der Heilige ist: In der Höhe und im Heiligen wohne ich und bei dem, der zerschlagenen und gebeugten Geistes ist, um zu beleben den Geist der Gebeugten und zu beleben das Herz der Zerschlagenen. - Jesaja 57, 15
Dieser fast epische Vers aus Jesaja zeigte mir auch, worum ich mich wirklich kümmern sollte: die Beziehung zu meinen Eltern. Ich will ihnen die Liebe und Zuneigung entgegenbringen, die sie mir damals nicht entgegenbringen konnten, damit sie erkennen, dass Gott immer einen Weg findet, seinen Kindern zu zeigen, dass sie geliebt sind, auch wenn die Eltern dieser Kinder Fehler machen.


Seit zwei Jahren bete ich jetzt schon, dass ich Gottes Liebe zu mir und das wahre Wesen der Liebe besser verstehen lerne und es sind eine Menge anderer Gebetserhörungen, von denen ich noch erzählen könnte. Vorerst beschränke ich mich auf diesen Lebensabschnitt, als ich Gottes Treue zum ersten Mal in meinem Leben wirklich erlebt hatte, indem er mir Ehrfurcht lehrte und mir zeigte: wer mir ganz vertraut, wird von Freude überrascht werden!


Twas grace that taught my heart to fear,
And grace my fears relieved.
How precious did that grace appear
The hour I first believed
- Amazing Grace, 2. Strophe