The hour I first believed (3) - Dedication

Was du anbetest, gibt dir einen Grund zu leben. In demjenigen, dem du dich hingibst, liegt der Sinn deines Daseins. Ob dieser Sinn tragfähig ist, ob die Art deiner Anbetung einen tragfähigen Grund gibt, weiterzumachen, das ist eine vollkommen andere Frage. Ist deine Anbetung tragfähig genug, um jeder Belastung und Enttäuschung dieses Lebens standzuhalten? Oder vielleicht auch nur der Langeweile des Lebens standzuhalten?


Es gibt nämlich noch eine Wahrheit. In den alltäglichen Grabenkämpfen des Erwachsenendaseins gibt es keinen Atheismus. Es gibt keinen Nichtglauben. Jeder betet etwas an. Aber wir können wählen, was wir anbeten. Und es ist ein äußerst einleuchtender Grund, sich dabei für einen Gott oder ein höheres Wesen zu entscheiden [...], denn so ziemlich alles andere, was du anbetest, frisst dich bei lebendigem Leibe auf.
... die Welt der Männer, des Geldes und der Macht läuft wie geschmiert dank dem Öl aus Angst, Verachtung, Frustration, Gier und Selbstverherrlichung. Unsere heutige Kultur hat der spezifischen Nutzung dieser Kräfte außerordentlichen Reichtum, Komfort und individuelle Freiheit zu verdanken. Nämlich die Freiheit für jeden von uns, Herrscher seines winzigen, schädelgroßen Königreichs zu sein, allein im Mittelpunkt der Schöpfung. (frei zitiert nach David Foster Wallace, aus seiner Rede: Das hier ist Wasser)

Dedication

Der erste Mensch, der mir vor Augen führte, wie wenig ich von Liebe verstand, war kein Christ. Es war ein etwa 23 Jahre junger Mann, den ich am 20. Dezember '13 um ca. 02.00 Uhr in der Früh am Schwedenplatz getroffen hatte, als ich am Soulsaver-Büchertisch stand. Wir gingen ein Bier trinken und vertieften uns für mindestens eine halbe Stunde ins Gespräch. Die Offenherzigkeit dieses Menschen war einzigartig (im Übrigen eine Eigenschaft, die vom Aussterben bedroht ist). Er erzählte mir ohne Weiteres, dass er im Gefängnis und mit seiner Freundin ziemlich unglücklich war, dass er sich aus tiefstem Herzen wünschte, sich zu verändern, sich "neu zu programmieren" und dass er nach unserem Gespräch, so selbstsicher er auch von außen wirken mochte und sein kirchengeschichtliches Wissen und seine scharfen Gedanken beeindruckten mochten, noch lange nachdenken werde, bis er sich in seinen Gedanken verirrt haben würde. Diese Offenherzigkeit war es, die mir die Verlogenheit und Unsicherheit meines eigenen Herzens präsentierte. Er erzählte mir, was am Boden seiner Seele vorging, obwohl wir uns noch nie begegnet waren. Er zeigte mir, dass es nicht möglichst objektive Argumente sind, die Menschen überzeugen, sondern einfache Offenherzigkeit. Was im Innersten des Menschen eigentlich vorgeht: daran zeigt sich, ob der Glaube glaubwürdig ist. Woran sollen Menschen erkennen, dass in Gottes Worten vollkommene Zufriedenheit, vollkommener Frieden und vollkommene Freude zu finden ist, wenn nicht in unseren Herzen? Das ist keine Frage intellektueller Spitzfindigkeit sondern eine Frage des eigenen Zustandes, wer man im Innersten ist! Zu erkennen, was in einem vorgeht und wie schnell und engstirnig die Gedanken in seinem eigenen "winzigen, schädelgroßen Königreich" kreisen, verlangt nach einer Menge Offenherzigkeit und Aufmerksamkeit. Es verlangt nach eigenständigem Denken. Darum stelle ich mir öfters unangenehme Fragen. So kann ich herausfinden, ob ich etwas wirklich erkannt habe, oder ob ich mir nur etwas vormache. Denn das Denken nimmt dir Gott nicht ab.

Ich denke, David Foster Wallace hatte Recht, als er sagte: " 'Selber denken lernen' heißt in Wirklichkeit lernen, wie man über das Wie und Was des eigenen Denkens eine gewisse Kontrolle ausübt. Es heißt, selbstbewusst und aufmerksam genug zu sein, um sich zu entscheiden, worauf man achtet, und sich zu entscheiden, wie man aus Erfahrungen Sinn konstruiert. Denn wenn Sie als Erwachsene diese Entscheidung nicht treffen wollen oder können, sind Sie angeschmiert.", wobei anzumerken ist, dass man nicht aus jeder Erfahrung "Sinn konstruieren" kann, selbst wenn man es wollte. Und genau hier hake ich ein: an Gott oder Auferstehung zu glauben, heißt noch lange nicht, dass man darin Sinn finden wird. Im Zusammenhang mit diesem Glauben stellt sich nämlich eine Frage von grundlegender Bedeutung: "Was soll dein Leben als Christ dir bringen?" Diese Frage erklärt sich nicht allein aufgrund der Tatsache, dass man getauft ist oder an Gott glaubt oder sich Christ nennt. Die Meisten nehmen vielleicht an, dass sie im Glauben an Gott Sinn finden könnten. Die Wahrheit aber ist: allein an Gott zu glauben, gibt keinen Sinn. Ich behaupte, dass die Mehrzahl der Christen (Katholiken, Protestanten, Evangelikale, usw...) diese Frage nicht beantwortet hat, oder zumindest auf eine Art und Weise, in der man auf lange Sicht keinen Sinn finden kann. "Selber denken lernen heißt, selbstbewusst und aufmerksam genug sein, um sich zu entscheiden, worauf man achtet...", oder um mit Gottes Wort zu sprechen:
Brüder, seid nicht Kinder am Verstand, sondern an der Bosheit seid Unmündige, am Verstand aber seid Erwachsene! - 1. Korinther 14, 20

In der Luther 1984 heißt es auch:

"Im Verstehen aber seid vollkommen!"

Das Gott uns die Bibel überlassen hat, sagt mir vor allem eins: Er hat es von uns abhängig gemacht, wieviel wir von Ihm erkennen werden. Gott hat uns zwar die Sehnsucht nach Ihm ins Herz gelegt, die Suche nach Ihm aber nimmt er uns nicht ab:
Fragt nach dem HERRN und seiner Stärke, sucht sein Angesicht beständig! - Psalm 105, 4

An Gott zu glauben ist nur der Anfang - es geht um Hingabe. Der Glaube, wie er in der Bibel beschrieben wird, geht tiefer und bleibt nicht dabei stehen, die Tatsache der Existenz Gottes einfach hinzunehmen:
Der Glaube aber ist eine Wirklichkeit dessen, was man hofft, ein Überführtsein von Dingen, die man nicht sieht. - Hebräer 11, 1
Hier ist von einer Wirklichkeit derjenigen Dinge die Rede, auf die man hofft, einer Wirklichkeit in der man lebt, weil man von Gottes Liebe überführt ist!


Ravi Zacharias nennt vier notwendige Bestandteile eines sinnvollen Lebens: Staunen - Wahrheit - Liebe - Gewissheit. Gott zu erkennen und Menschen zu begegnen - ich denke, allein darin liegen diese vier Dinge. Dedication - Hingabe - kann es nur dort geben, wo unser Herz Begegnung sucht, anstatt sich selbst. "Herrscher seines winzigen, schädelgroßen Königreichs zu sein" bewirkt, dass alles Staunen zur Langeweile wird, Wahrheit zur Maske, Liebe zur Selbstsucht, Gewissheit zum Zweifel. Wahre Liebe aber gibt sich hin und hält nichts zurück:
Dies ist mein Gebot, dass ihr einander liebt, wie ich euch geliebt habe. Größere Liebe hat niemand als die, dass er sein Leben hingibt für seine Freunde. Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch gebiete. - Johannes 15, 12-14

Wenn ein Mann seine Frau liebt, wäre er nicht bereit, für sie zu sterben? Wenn du Jesus liebst, wärst du nicht auch bereit, für ihn zu sterben? Der Sinn eines Lebens als Christ, ist es, sein Leben für Christus hinzugeben. Es gibt nämlich noch eine Wahrheit: Jesus sucht keine Mitläufer. Er sucht Menschen die in Jochgemeinschaft mit ihm leben möchten:
Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen. Denn mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht.                                     - Matthäus 11, 29.30


Er sucht Menschen, die ihr Leben für Ihn hingeben. Er sucht Menschen, die mit Asaf sagen:
Wenn ich nur dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde. Wenn mir gleich Leib und Seele verschmachtet, so bist du doch, Gott, allezeit meines Herzens Trost und mein Teil. - Psalm 73, 25-26

Asaf wusste: wer Gott erkannt hat und Ihn liebt, der hat den ewig treuen Gott erkannt, der uns nie den Rücken zuwendet. Ich schreibe das alles als einer, der das Verlangen danach hat, diesen Versen mit ganzem Herzen zustimmen zu können, weil ich weiß: Frieden findet die Seele dort, wo sie nach Gott verlangt! Der Mensch kann vieles verlangen und er kann vieles erreichen und doch ist seine Seele unruhig und manchmal kehrt ihm die Erfüllung seines Verlangens den Rücken zu - manchmal wird er von seinem Verlangen, seiner Anbetung, regelrecht aufgefressen. Wer aber nach Gott verlangt, wird nicht enttäuscht, denn Gott wendet ihm sein Gesicht zu. Und in diesem Punkt stand mir die härteste Lektion noch bevor: Gott erhörte mein Gebet vom 7. November und drang mit Macht und furchtbarem Gedonner in mein Leben ein. Er lehrte mich Zittern und Ehrfurcht. Er riss mich sozusagen aus meinem "winzigen, schädelgroßen Königreich". Was aber war nun jenes furchtbare Gedonner, mit dem Gott in mein Leben eindringen sollte? Weder war es Gottes donnernde Stimme, noch mächtige Heerscharen von Engeln, noch ließ er seine Herrlichkeit vor meinen Augen vorbeiziehen. Es war, von außen betrachtet, ein wohl vollkommen unscheinbares Wesen: eine Frau.
(Und nein, "jenes furchtbare Gedonner" war nicht meine Mutter ;) )

... Fortsetzung folgt

The hour I first believed (2) - Segen


Was ist Segen? Wahrscheinlich denken viele Christen beim Segen an ein erfolgreiches Erlebnis, an einen Menschen der mit Reichtum und Gesundheit beschenkt ist. Einen armen Mann ohne Erfolg im Beruf würden wir wohl kaum gesegnet nennen, oder jemanden, dessen Herz gebrochen ist, oder jemanden, der einen schweren Unfall hatte. Wir würden den Propheten Jeremia, der vierzig Jahre ohne Erfolg gearbeitet hatte, weil das Volk Israel nicht bereit war, umzukehren, wohl kaum gesegnet nennen. Oder doch? War nicht auch Abraham mit einer großen Nachkommenschaft gesegnet, ohne sie zu Lebzeiten zu sehen? Man kann Segen nicht mit unverzögertem Erfolg gleichsetzen. Und so entdecken wir den Segen Gottes oft nicht, weil wir der Meinung sind, bei einem gesegneten Menschen würde sich alles augenblicklich zum Besseren wenden. Ein Mensch aber, der die tiefe Gewissheit hat, dass er von Gott gesegnet ist, dass Gott ihn wohlwollend und fröhlich ansieht, der wird auch im Elend wissen, dass Gott ihn nicht verlassen hat, denn Er hält sein Wort.
Ich bin darin guter Zuversicht, dass der in euch angefangen hat das gute Werk, der wird's auch vollenden bis an den Tag Christi Jesu.                              - Philipper 1, 6
Denn des HERRN Wort ist wahrhaftig, und was er zusagt, das hält er gewiss. - Psalm 33, 4
Gefallen hat der Herr an denen, die ihm mit Ehrfurcht begegnen und voller Zuversicht darauf warten, dass er seine Güte zeigt.                                 - Psalm 147, 11

2014 

Mir sagte man, ich bräuchte Vergebung. Natürlich war ich vor Gott schuldig, ich konnte es nur nicht sehen. Niemand hatte es mir gezeigt. Und so war ich auch blind für Gottes Liebe. "Gott liebt dich" - ein hohler Satz, "Gnade" - ein fremdes Wort, Heilung - unmöglich! Wo waren die Menschen, die mir meine Fragen beantworten konnten? Antwort: Sie hatten Antworten auf die falschen Fragen. Antworten auf die falschen Fragen zu haben, heißt keine Antworten zu haben. Resultat: Verlassenheit, Ungewissheit, Zorn. (Tagebucheintrag: 15. Dezember '13)

Letztes Jahr erkannte ich, wie viel die Scheidung meiner Eltern in mir zerstört hatte. Der Hass auf meine Eltern hatte sich tief in meinem Herzen eingenistet und ich wusste, dass ich damit vor Gott ein Mörder war (siehe auch Post vom Dezember 2013: Warum Weihnachten ein Fest ist!). Ich wusste, dass ich ihnen vergeben musste und das diese Vergebung weh tun würde.
Wenn es wahr ist, dass wir für Christus leiden müssen, stellt sich mir doch die Frage: Wie kann ich das wollen? Oder überhaupt jemand wollen? Für Gott dieses vorübergehende Leid durchzumachen. Sich als lebendiges und heiliges Opfer darbringen. Denn das hat Jesus auch getan! Wenn man einmal den Punkt erreicht hat, an dem man versteht und fühlt, dass das Leben ohne Gott keine Antwort auf unser Suchen geben kann, drängen unweigerlich und automatisch alle Fragen zu der einen Frage: Hat es Sinn, Christus nachzufolgen? Und wie kann man Christus mit Hingabe nachfolgen? (Tagebucheintrag 9. Februar '14)

Meine Gefühle fasste ich damals folgenderweise zusammen:
Mein Herz fühlt sich an, als wäre es zerrissen, in der Hand zerknüllt und weggeschmissen worden und ich weine und mache mir Gedanken. Kränkung ist ein bitteres Gift, ein Krampfen und Ätzen der Seele, ein Biss scharfer Zähne ins Fleisch. Kränkung ist Hass. Kränkung ist schwarze Bosheit und eine Diebin der Zuversicht. Kränkung sticht und ist unbarmherzig. Kränkung ist eine Sense und eine Richterin jedes Fehlers. Kränkung ist die große Spötterin über alle Schmerzen. Gekränkt-Sein heißt auf Stein zu beißen und ist ein Knirschen mit den Zähnen. Es ist ein Zermalmen und Zermalmt-Werden.

Ich wollte wissen, warum es so schwer ist, die Härte unserer Herzen zu sehen und abzulegen, aber auch die Gleichgültigkeit und den blinden Ärger. Kann man der Verletzlichkeit entkommen, die blendet? Kann man nicht zuallererst auf das Herz des Menschen sehen lernen, anstatt auf seine Fehler? Kann man sehen, wie der Mensch wirklich ist? Ist es möglich, sich gegenseitig zu kapieren? Ich wollte nicht länger von meinen Gefühlen beherrscht werden und sah auf Christus, der auch für die Fehler meiner Eltern gestorben war. Er hatte ihnen vergeben, Er war auch für sie gestorben. Als ich mir das vor Augen hielt, sah ich meine Mutter und meinen Vater in einem anderen Licht: ich sah, wie sehr sie Christus brauchten! Wie groß musste ihre Sehnsucht nach seelischer Heilung gewesen sein, als sie sich voneinander trennten? Wie sehr mussten sie sich nach dem Segen Gottes gesehnt haben und nach dem zuversichtlichen Glauben, dass Gott sie noch immer liebte?

... Fortsetzung folgt

The hour I first believed (1)

Wenn ich genauer darüber nachdenke, ist meine Familie ganz schön zerbrechlich und zerbrochen. Meine Eltern heirateten, als meine Mutter noch gar nicht entschieden war, Christus nachzufolgen. Selbst dann, als sie sich bekehrte, wurde bei uns zu Hause nie über den Glauben geredet, bis ihre Ehe, aufgrund des Alkoholismus' meines Vaters und der tiefen Verletzungen und Kränkungen meiner Mutter aus ihrer Kindheit, zerbrach und sie sich schließlich scheiden ließen. Damals waren meine Schwester und ich ungefähr sieben bzw. fünf Jahre alt. Den Vater meiner Mutter habe ich als sehr zurückgezogen und verschlossen in Erinnerung, der nach dem zweiten Weltkrieg vielleicht nie richtig ins Leben zurück gefunden hatte. Ich musste um die dreizehn oder vierzehn Jahre alt gewesen sein, als er während eines Krankenhausaufenthaltes vom Balkon sprang und sich das Leben nahm. Meine Schwester kämpft noch immer mit seelischen Wunden, die sich im Laufe ihres Lebens angesammelt haben und versucht ihrem Leben Sinn durch ein Gefühl zu verleihen, das sie mit allem Möglichen herbeizuführen versucht: LSD, Meditation, östliche Philosophie, DMT u.a. 
Und ich selbst? Ich weiß noch, wie ich mit fünfzehn bei Nacht und in völliger Isolation in meinem Bett lag und das Fenster anstarrte und mir dachte: So muss sich die Hölle anfühlen. Mit 18 Jahren schrieb ich eine Kurzgeschichte mit dem Titel "Fragmente eines Verlorenen" (ich habe noch 11 gebundene Exemplare davon zu Hause: Bestellung ist also möglich) - eine ziemlich traurige Geschichte über einen Wissenschaftstheoretiker, der keinen Grund findet, an etwas festzuhalten und zu glauben, der kein Ziel hat und mit seinen Gedanken kämpft. In Wahrheit war diese Geschichte, als ich sie schrieb, ein Spiegelbild meiner Seele gewesen. Ich kenne das Gefühl totaler Einsamkeit und tiefer Verlassenheit. Dieses Gefühl verfolgte mich bis ins Jahr 2013. Kann ein Mensch Gottes Liebe verstehen, der von seinen Gefühlen gepeinigt wird?

2013

Ende April, 23.00 Uhr: Auf dem Weg von Hagenbrunn nach Hause kniete ich erschüttert zwischen den Feldern und bat Gott um Weisheit und eine Richtung, in die ich gehen konnte.
Am 12. Mai las ich Jeremia 2, 13 und 19b und verstand: ich hatte mich Gott nicht zugewandt, er war mir ein Fremder und ich verbrachte meine Tage auch weiterhin in Verlassenheit. Ich musste mich Ihm zuwenden, um aus dieser Sackgasse herausgerissen werden zu können:
Denn zweifach Böses hat mein Volk begangen: Mich, die Quelle lebendigen Wassers, haben sie verlassen, um sich Zisternen auszuhauen, rissige Zisternen, die das Wasser nicht halten.
Erkenne doch und sieh, dass es schlimm und bitter ist, wenn du den HERRN, deinen Gott, verlässt und wenn bei dir keine Furcht vor mir ist!, spricht der Herr, der HERR der Heerscharen


Ich gab mich nicht damit zufrieden, dass ich Gottes Liebe nicht begreifen konnte - ich fand mich nicht damit ab, dass Er mir ein Fremder war. Mein Blick kannte den Ort nicht, an dem Gottes Liebe war. Ich sah nur die Härte meines Herzens, meine Kälte und Zurückgezogenheit, die Verletzungen die in mir wimmelten und die ich niemandem zeigen wollte, aus Angst und Enttäuschung. Ich war wie jemand, der das Leben nicht kannte, der das Leben treffen wollte, der das tiefe Drängen verspürte, einen Schatz bergen zu müssen: Gottes Liebe. Ich wusste, dass Gottes Liebe nicht bloß Theorie war und wollte zu Gott durchdringen:

Schmecket und sehet, wie freundlich der HERR ist. Wohl dem, der auf ihn trauet! - Psalm 34, 9

Am 7. November sprach ich ein entschlossenes Gebet:
Ich möchte, dass Du mit Macht und furchtbarem Gedonner in mein Leben eindringst, damit ich vor Dir zittere. Denn anders scheine ich keine Ehrfurcht vor Dir zu begreifen. Die Festung um mein Herz muss erobert und zerschlagen werden.

Zu dieser Zeit schrieb ich einige Sprüche:
Wer sich selbst bedauert, erblindet, und auf Dauer nimmt das Bedauern kein Ende // Vergiss nie, wie unbeschwert und fröhlich ein junger Mensch im Grunde seines Herzens ist, denn diese Leichtigkeit ist das ungetrübte Geschenk Gottes an seine Kinder // Es gibt keinen größeren Gewinn, als für Gott alles aufzugeben, weil es keine größere Liebe als die Liebe Gottes gibt // Die ganze Schöpfung ist auf Gott ausgerichtet, weil Er die ganze Schöpfung auf sich ausgerichtet hat, damit sein Name in Ewigkeit verherrlicht wird


Trotzdem hatte die Wahrheit dieser Sprüche mein Herz noch nicht erreicht. An manchen Tagen packte mich tiefe Niedergeschlagenheit, die so stark war, dass ich fürchtete, den Glauben aus Enttäuschung und eigenem Unfrieden einmal aufzugeben, dass ich dann mit Nietzsche sagen würde:

Die Welt - ein Tor
Zu tausend Wüsten stumm und kalt!
Wer das verlor,
Was du verlorst, macht nirgends Halt.
[...]
Weh dem, der keine Heimat hat!
(Friedrich Nietzsche, Ausschnitt aus "Vereinsamt") 

 ... Fortsetzung folgt