The hour I first believed (5) - Das Gleichnis

Zerbrochene Träume sind niemals Zufall. Sie sind immer Teil eines größeren Puzzles. Der Heilige Geist benutzt den Schmerz unerfüllter Wünsche, damit wir unser Verlagen nach Gott erkennen und anfangen, den höchsten Traum zu träumen.
- Lawrence J. Crabb

Das Leben des Mannes war angenehm. Auch seine Beziehung zu Gott. Beides gehört immer zusammen.
  Aber Gott war nicht zufrieden. Darum ließ er zu, dass das Leben des Mannes unangenehm wurde.
  Der Mann war schockiert. »Wie kann das sein? Wie kann mir so etwas passieren?«
  Hinter dem Schock verbarg sich seine Selbstgefälligkeit. Aber das konnte er nicht sehen. Er meinte, es sei Vertrauen. »Es wird vorbeigehen. Gott ist treu. Es wird schon wieder gut werden.« Sein Glaube blieb oberflächlich.
  Gott war nicht zufrieden. Deshalb ließ er zu, dass im Leben des Mannes noch mehr unangenehme und schmerzhafte Dinge passierten.
  Der Mann bemühte sich nach Kräften, mit seiner Enttäuschung so umzugehen wie einer, der Gott vertraut. »Ich will Geduld haben«, beschloss er.
  Doch er merkte nicht, dass sein Bemühen um Geduld von der Überzeugung getragen war, dass er ein Recht auf ein angenehmes Leben hatte. Er hörte nicht, wie sein Herz sagte: »Wenn ich Geduld habe, dann wird Gott wieder alles gutmachen. Das ist ja seine Aufgabe.«
  Seine Beziehung zu Gott war davon bestimmt, Gott zur Wiederherstellung seines angenehmen Lebens zu bewegen.
  Gott war nicht zufrieden. Deshalb zog er seinen schützenden Zaun um den Mann etwas weiter zurück. Das Leben des Mannes wurde jämmerlich.
  Der Mann wurde böse. Gott schien unberührt, gleichgültig, teilnahmslos. Die Tür des Himmels war scheinbar verschlossen. Der Mann wusste, dass er sie nicht öffnen konnte.
  Er konnte nur noch an bessere Tage denken - nicht an die, die kommen würden, sondern an die von früher; an Tage, die es nicht mehr gab und die womöglich nie wiederkehren würden.
  Sein größter Traum war, sie wiederzubekommen, das angenehme Leben zurückzuholen, das er einst gekannt hatte, als er etwas empfand, was er Freude genannt hatte.
  Er konnte sich nichts Schöneres vorstellen, als zu dem zurückzukehren, was einmal war. Aber er wusste, dass das Leben sich nicht zurückspulen lässt. Erwachsene werden nicht wieder zu Kindern. Alte Menschen erlangen die Kraft ihrer produktivsten Jahre nie mehr zurück.
  Also verlor er die Hoffnung. Gott hatte seinen Segen zurückgezogen, und nichts sprach dafür, dass er es sich wieder anders überlegen würde.
  Der Mann wurde depressiv. Die Beziehung zu Gott kühlte merklich ab.
  Gott war nicht zufrieden. Deshalb ließ er die Mächte der Hölle in das Leben des Mannes einbrechen.
  Versuchungen, mit denen er früher noch umgehen konnte, wurden nun unwiderstehlich. Das Leben war so anstrengend geworden, dass das Vergnügen und die Erleichterung, die Anfechtung brachten, vernünftig und geradezu notwendig erschienen. Doch nach dem Vergnügen kam eine neue Art von Schmerz hinzu; ein Schmerz, der die Seele des Mannes in einer Art dichtem Nebel umgab, durch den kein Sonnenstrahl mehr dringen konnte.
  Der Mann sah nur noch seinen Schmerz. Gott konnte er nicht sehen. Er dachte es zwar, aber der Gott, den er sah, war einer, dessen Aufgabe es war, seinen Schmerz zu lindern. So einen Gott stellte er sich vor. Aber er konnte ihn nicht finden.
  Er wandte sich an den einzigen Gott, den er kannte. Er bettelte um Hilfe. Durch sein Flehen hindurch konnte er schon beinahe hören, was sein Herz sagte: »Du musst mir helfen. Ich glaube nicht, dass ich das alles verdient habe. Es ist nicht meine Schuld, sondern deine.«
  Seine Beziehung zu Gott war nie etwas anderes gewesen als eine Forderung. Aber inzwischen war das so offensichtlich, dass es er schon beinahe selbst erkannte.
  Gott war nicht zufrieden. Deshalb ließ er die Kämpfe weitergehen. Und er ließ neue Probleme in das Leben des Mannes treten.
  In dem Teil seines Herzens, in dem er seine größten Träume hegte, war der Mann ganz sicher gewesen, dass er so etwas wie dies hier nie würde durchmachen müssen. Über Jahre hinweg hatte er (ohne es je zu hören) zu sich selbst gesagt: »So etwas kann mir nie passieren. Und wenn, dann wäre alles aus. Wenn das passieren würde, dann wäre klar, dass Gott nicht gut ist. Ich müsste mich von ihm lossagen. Und niemand, nicht einmal Gott, könnte mir deswegen einen Vorwurf machen.«
  Aber er hörte sein Herz auch jetzt noch nicht. Was er hörte, war eine verführerische Stimme, die ihm die schlimmste Versuchung - nämlich jene, an Gott irre zu werden - als edel, tapfer, ja als den einzigen Ausweg erscheinen ließ.
  Der Kampf tobte. Aber da war noch ein Hoffnungsschimmer. Der Mann glaubte trotzdem weiter. Er hörte nicht, wie sein Herz dabei sagte: »Es wäre mein gutes Recht, nicht mehr zu glauben. Aber ich will tapfer sein. Ich glaube immer noch an dich. Ich glaube immer noch, dass du da bist und dass ich nur bei dir auf Freude hoffen kann - wenn überhaupt. Macht dir das Eindruck? Und wenn nicht, mein Gott, was dann?«
  Seine Gebete waren verzweifelter als je zuvor. Aber sie waren immer noch stolz.
  Gott war nicht zufrieden. Deshalb ließ er zu, dass die Anfechtungen weitergingen und der Schmerz nicht nachließ. Er hielt Distanz zu dem Mann. Er bot keinen Trost, keinen greifbaren Grund zur Hoffnung. Es fiel Gott schwer, im Leben des Mannes nicht alles zum Guten zu wenden. Noch schwerer fiel es ihm, dem Mann nicht direkt zu erscheinen und ihn seiner wahrhaftigen Gegenwart zu versichern.
  Aber er tat es nicht. Er hatte einen größeren Traum für ihn als die Rückkehr zu einem angenehmen Leben. Er wollte, dass der Mann wahre Freude fand. Er wollte in ihm die Hoffnung auf das wiederherstellen, was das Wichtigste ist. Aber der Mann wusste immer noch nicht, was das war.
  Der Nebel um seine Seele wurde so dick, dass er ihn förmlich spüren konnte. Es fühlte sich an wie Mauern, die sich um ihn schlossen. Es war alles ein Rätsel. Da war auch Angst, ja regelrechte Panik, aber noch klarer war das Gefühl, dass alles so rätselhaft war: Wie löste man das Rätsel von einem schlimmen Leben und einem guten Gott?
  Wo war Gott? Gerade als dem Mann so deutlich wurde wie nie zuvor, dass er ihn brauchte, war Gott verschwunden. Es war alles so sinnlos. War Gott nun da oder nicht? Wenn ja: Sah er, was los war? Oder nicht?
  Der Mann konnte nicht von Gott lassen. Er dachte an Jakob. Und er begann zu kämpfen. Aber er kämpfte im Dunkeln, und die Dunkelheit war so dicht, dass er seine Träume von einem angenehmen Leben nicht mehr sehen konnte.
  Im Dunkeln kann man nicht sehen. Aber man kann hören. Zum ersten Mal hörte er, was sein Herz sagte. »Segne mich! Nicht weil ich gut bin, sondern weil du gut bist. Segne mich! Nicht weil ich deinen Segen verdiene, sondern weil es in deinem Wesen liegt. Du kannst gar nicht anders. Ich berufe mich nicht auf das, was ich bin. Du schuldest mir nichts. Ich berufe mich nur auf dich.«
  Er sah noch immer den Schmerz. Aber jetzt sah er auch Gott. Und die Bitte um Segen war nicht mehr gleichbedeutend mit der Forderung nach einem angenehmen Leben. Sie war ein Schrei nach Gott, egal wer er war, egal was er wollte. Der Mann spürte etwas Neues. Es war der Beginn der Demut. Aber gerade darum konnte er es nicht genau erkennen.
  Der Mann hatte sich selbst vergessen und sein Verlangen nach Gott entdeckt. Er fand Gott nicht sofort, aber er hatte Hoffnung. Hoffnung darauf, dass er einmal erleben würde, wonach sich seine Seele zutiefst sehnte.
  Dann sah er es. In der Wüste seiner Seele war ein Brunnen, aus dem frisches Wasser hervorsprudelte. Es war ein neuer Traum. Und er erkannte, wie er Gestalt annahm. Es war der Traum, Gott zu kennen und ihn einer Welt zu zeigen, die alles andere als angenehm ist. Der Traum wurde noch konkreter. Er sah, wie er Gott in einer Weise erkennen und anderen vor Augen malen konnte, die ihm selbst entsprach und nicht einem anderen. Es war, als sei er nach Hause gekommen.
  Er erkannte sofort, dass die Fähigkeit, im Namen Gottes mit anderen zu reden - und zwar mitten in ihr unangenehmes Leben hinein -, ganz eng damit zusammenhing, dass er aus seinem eigenen unangenehmen Leben heraus sprach. Nie zuvor war er für seine Probleme dankbar gewesen.
  Sein Leid wurde für ihn der Zugang zum Herzen Gottes. Er hatte Anteil am Leiden Gottes bei seinem großen Versöhnungsprojekt. Das Leiden für eine gemeinsame Sache bewirkte, dass er sich Gott näher fühlte.
  Ihm kam ein neuer Gedanke. »Ich will mich mit denen zusammentun, die sich gegen die Wurzel des Übels wehren. Ich will mich auf die Seite des Guten gegen das Böse stellen. Ich will nicht warten, bis ich klarer sehe. Nein, was mir vor die Hände kommt, das will ich tun. Aber ich will nah bei der Quelle bleiben. Meine Seele ist durstig. Ein angenehmes Leben ist kein Wasser für meine Seele. Das einzig wahre Wasser kommt von Gott. Und das ist genug.«
  Der Mann betete Gott an, und Gott freute sich. Deshalb sorgte er dafür, dass die Quelle im Herzen des Mannes weitersprudelte. Wenn er nicht jeden Morgen von der Quelle trank oder am Abend zu ihr zurückkehrte, dann würde sein Durst schier unerträglich.
  Manches in seinem Leben wurde besser. Manches blieb unverändert. Anderes wurde schlimmer.
  Aber er träumte nun einen neuen Traum. Es ging um mehr als nur ein angenehmes Leben. Und er fand den Mut, diesem neuen Traum nachzuleben. Er hatte Hoffnung, und die Hoffnung brachte Freude.
  Gott freute sich. Und der Mann auch.

("Das Gleichnis", aus "Wenn Gott unsere Wünsche nicht erfüllt" von Lawrence J. Crabb)

Und Hiob antwortete dem HERRN und sagte: Ich habe erkannt, dass du alles vermagst und kein Plan für dich unausführbar ist. »Wer ist der, der den Ratschluss verhüllt mit Worten ohne Verstand?« So habe ich denn meine Meinung mitgeteilt und verstand doch nichts, Dinge, die zu wunderbar für mich sind und die ich nicht kannte.
- Hiob 42, 1-3